Mailand und Steinölsa: Der Nerz kommt

Haarige Sache - eine alte Pelztierfarm in der Oberlausitz soll wieder voll in Betrieb gehen, doch die Leute in Steinölsa sind skeptisch

In den Mailänder Modeschauen ist er wieder da und im Wald bei Steinölsa in der Oberlausitz: der Nerz. Doch während die Models auf den Laufstegen zur Freude des betuchten Publikums in Fell fla-nieren, hält sich die Begeisterung in der Oberlausitz in Grenzen. Hier sollen die Nerze produziert wer-den, die anderswo getragen werden. Ein Betreiber will eine alte Farm wieder aktivieren.

Die "Devisenschmiede", wie das Objekt zu DDR-Zeiten im Ort genannt wurde, gammelt seit Jahren vor sich hin. Mit der Wende kam das Aus für die Pelztierfarm. Nun ist das Eingangstor wieder ver-schlossen, noch silbern glänzend sperrt eine Kette nebst Schloss den Zugang. Schilder warnen: "Vorsicht, bissiger Hund" und "Betriebsgelände, betreten verboten". Verwaltungs- und Sozialgebäude dämmern vor sich hin. in langen Reihen stehen Käfigbatterien. Über den Winter stand die Anlage leer. Nur kegelförmige Kothaufen auf der Erde unter den Drahtkäfigen zeugen von der neuen Belegschaft.

Vier Mal das Geflügel gemeuchelt

"Wenn in Deutschland ganze Rinderherden abgeschlachtet werden, sind auch Echtpelze politisch korrekt", beschied kürzlich Modedesigner Wolfgang Joop seine Kritiker. Auch die Hildebrands aus Steinölsa haben ihren Nerz. Sogar selbst erbeutet. Im Hühnerstall, Ende 1999, nachdem er das Ge-flügel gekillt hatte. Vier Mal brachen Nerze bei Hildebrandts ein. "Insgesamt 40 Hühner haben die geholt. Jedesmal wenn die neuen Hennen gerade zu legen anfingen, kam so ein "Aas", schimpft Hans-Peter Hildebrand. Drei von den Räubern hat er gefangen. "Auch wenn der Betreiber die Hühner bezahlt hat, ärgerlich ist das schon. Ich halte ja Hühner, um frische Eier zu haben." Auch bei seinem Bruder, der einen Fischteisch hat, waren Nerze räubern. Und etliche Nachbarn büßen Geflügel ein. Wer einen gefangenen Nerz auf den Tisch packte, bekam anstandslos sein Geld für gemeucheltes Geflügel, erinnern sich die Steinölser. "Ich hab selber in den 70ern fünf Jahre auf der Nerzfarm gear-beitet. Man kann nicht unterbinden, dass mal einer ausbüchst, aber wir haben die Tiere gleich wieder eingefangen, mit Keschern." Ansonsten wissen die Steinölsaer wenig. Damals, 1999, merkte die 500-Seelen-Gemeinde, dass etwas vorging auf der Farm. "Im September spätabends hat es bei uns geschrien, das klang, als ob ein Kind weint", erzählt Robert Remus. Ein Nerz hatte sich in der Holzver-kleidung seines Hauses verklemmt. Ein Jäger rief sogar einen BGS-Hubschrauber herbei, wegen geheimnisvoller nächtlicher Lkw-Fahrten mitten im Wald. Das Geheimnis war schnell gelüftet: Die Nerzfarm war über die Sommersaison wieder in Betrieb genommen worden. "Zu zweit, dritt oder viert hockten die Tiere in Drahtkäfigen, mindestens 5000 insgesamt", sagt Bodo Hering. "Und das hat pe-netrant gestunken. Ich hab früher in der Rinderproduktion gearbeitet, da riecht es aber aromatisch dagegen." Im Nachbarort Horscha merkten es die Leute am Geruch, der über den Wald gezogen kam, dass die Nerze wieder da waren. Bodo Hering hatte die Anlage inspiziert, weil er Mitarbeiter des Bio-sphärenreservates Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft ist, in dem die Farm liegt.

Die Firma Schirmer und Partner GmbH aus Döhlen bei Rochlitz hat den Pelztier-Knast wieder entdeckt. 1999 wurden hier Tiere gehalten, 2000 ebenfalls, immer nur für ein paar Monate, bis die Tiere zum Schlachten gebracht wurden. Nun soll die Farm wieder ganzjährig in Betrieb gehen, sogar Ausbaupläne gab es. Von bis zu 80.000 Tieren war die Rede. So viel sollen es nun doch nicht werden, sagt Investor Schirmer. Ansonsten sagt er wenig.

Wie Legehennen in engen Drahtboxen

Nachdem etliche Nerze ausgebüchst waren, gab es im vergangenen Jahr Auflagen, um die Anlage sicherer zu machen. Sogar ein Gutachten wurde angefertigt, danach soll die Farm mittlerweile aus-bruchsicher sein. Ansonsten hausen die Pelztiere im DDR-Standard. Wie Legehennen in engen Drahtboxen, mit einer kleinen Schlafbox. Mit Genehmigung der Behörden. Zu den Haltungsbedingun-gen mag der Amtstierarzt nicht viel sagen. Überhaupt regiert Einsilbigkeit. Was in den letzten Jahren da war, "weiß ich gar nicht", sagt der ehrenamtliche Bürgermeister Günter Holtschke. "Wir haben dem Vorhaben zugestimmt, die Pelztierfarm war ja schon mal da." Er habe eine ganze Weile nichts gehört von den Planungen. Ein "schwebendes Verfahren", wehrt auch Werner Genau, Amtsleiter Bauen und Umwelt im Landratsamt Niederschlesischer Oberlausitzkreis, ab. Ein Antrag auf Wiederinbetriebnah-me der Pelztierfarm liegt jedenfalls auf seinem Tisch. "Es gibt noch erheblichen Klärungsbedarf", sagt Genau. "Das Landratsamt weiß Bescheid. Der Region würde es sicher gut tun, wenn dort Arbeitsplät-ze entstehen", sagt einsilbig Investor Schirmer, der in Döhlen nach eigenen Angaben eine Spedition betreibt. Einen Auswärtigen setzte Schirmer als Betreuer der Tiere im vergangenen Sommer ein. Argwöhnisch betrachtet von den Dorfbewohnern, wenn der abends in der Kneipe hockt. Wenig Freundliches ist über den Mann zu hören. Die Region ist misstrauisch. Jäger und Fischer sorgen sich ebenso um ihre Klientel wie Naturschützer. Nerze sind gewandte Räuber, können sich übel über die heimische Fauna hermachen. "Sogar Eichhörnel killen die. Wir haben nichts gegen Arbeitsplätze, aber doch nicht auf die Art", knurrt Gunter Lorenz. Der 39-Jährige aus Steinölsa hält selbst Tiere, "aber was die dort ma-chen, ist eine Quälerei, nur für die oberen Zehntausend". Auch andere sind skeptisch. Simone Heß befürchtet, dass militante Tierschützer die Nerze befreien könnten. "Na dann, gute Nacht." Und ihr Lebensgefährte Robert Remus schimpft: "Tausende Tiere zu quälen, nur um dann einen Pelzmantel rumzuschleppen, ist eine Sauerei." Doch mobil gegen die Pelzfarm machen bislang nur wenige in Steinölsa. "Die Jugend ist fort, wer arbeitslos ist, geht kaum aus dem Haus. Die meisten haben mit sich zu tun, wollen sich nicht den Mund verbrennen", sagt Lorenz.

Dafür macht der alarmierte Tierschutzverein Dresden mobil. "Pelze und menschliche Pelzträger gehören ins Gruselkabinett. Sie passen einfach nicht mehr in das heutige High-Tech-Zeitalter", sagt die Tierschützerin Manuela Schott. "Wir lehnen aus ethischen Gründen den massenhaften Tod von Tieren nur um Mode willen ab." Zwar gibt es Empfehlungen der EU und Gutachten des Bundeslandwirtschaftsministeriums, wie Nerze gehalten werden sollen. Sechs Quadratmeter für zwei Tiere möglichst auf Naturboden, mit Klettermöglichkeiten und Wasser. Aber das sind eben nur Empfehlungen. Von denen konnten die Nerze in Steinölsa bislang nur träumen. (Sächsische Zeitung, 9. März 2001)

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