Auch Puten leiden unter BSE

Tierschützer klagen über neue Großmastanlagen - «Wie Löffel in der Schublade» - Nachfrage explodiert

Von AP-Mitarbeiter Marcel Burkhardt

Hühnerzüchter jubeln, Tierschützer empören sich: Seit die deutschen Verbraucher um Rindfleisch einen weiten Bogen machen, entdecken sie zusehends ihre Liebe für Geflügel. «Dadurch wächst der Druck auf Puten, Enten und Hähnchen», sagt der Agrarexperte des Naturschutzbundes (NABU), Florian Schöne. Nach Angaben des NABU boomt die Massentierhaltung in Deutschland, ungeachtet der von der Bundesregierung angekündigten Wende in der Agrarpolitik. Die Behörden würden von einer wahren Flut von Bauanträgen für Geflügelmasthallen überschwemmt.

Im Emsland zum Beispiel seien mehr als 300.000 neue Hähnchenmastplätze geplant, in Kleve 220.000 zusätzliche Mastplätze für Puten. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen sei eine ganze Reihe neuer Großanlagen beantragt. «Diese Entwicklung ist ein Skandal», sagt Schöne. Die Regierung müsse das umgehend verbieten.

Der Verband der Geflügelwirtschaft bezeichnet die Putenhaltung in Deutschland dagegen als beispielhaft in Europa. Im Vergleich zu anderen Ländern gehe es den Tieren sehr gut, erklärt Sprecher Thomas Janning.

In Deutschland werden laut Tierschutzbund rund 6,5 Millionen Puten gehalten. Schon im vergangenen Jahr verzehrte jeder Verbraucher im Durchschnitt fünf Kilo Putenfleisch. Im Januar kauften die Verbraucher 70 Prozent weniger Rindfleisch, aber rund 50 Prozent mehr Geflügel. «Deutsche Ware wird knapp», sagt Janning. Marktführer Wiesenhof müsste nach eigenen Angaben täglich 70.000 Hähnchen mehr schlachten, um die Nachfrage zu decken. Der Tierarzt Hans Sambraus, Professor für Verhaltenskunde und Tierschutz an der Uni München, sagt: «Da wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.» Die meisten Puten würden «gehalten wie Löffel in der Schublade - in deren Welt kommt nur Beton, Metall und der Artgenosse vor». Sie seien gestresst und krankheitsanfällig und bekämen deshalb schon vorbeugend Antibiotika verabreicht.

Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund sagt: «Ich kann nur jeden warnen, Puten- und Hähnchenfleisch aus Billigproduktionen zu essen.» Es gebe Hinweise, dass Arzneirückstände im Fleisch der Tiere verblieben. Die bewegungsfreudigen Tiere müssten in qualvoller Enge leben, im Schnitt fünf Putenhennen auf einem Quadratmeter. Dies führe zu Verhaltensstörungen wie Federfressen und Kannibalismus. Durch Überzüchten erlitten die Tiere Schäden an Gelenken, Sehnen und Knochen. Am Ende der Mast seien sie oft bewegungsunfähig. Durch ständiges Liegen auf feuchter, verkoteter Einstreu wucherten bei den Puten eitrige Brustgeschwüre. Professor Sambraus sagt: «Es besteht ein Riss zwischen dem sehr guten Tierschutzgesetz und der Realität.» Amtstierärzte seien hoffnungslos überfordert. Es gebe zu wenig Personal für gründliche Kontrollen der Zustände in Großställen. Die Agrarwende hänge nur von den Konsumenten ab: «Wenn der Verbraucher nur endlich erkennen würde, welche Macht er hat!» (AP, 28. April 2001)

Hinweis: Pressemeldungen entsprechen nicht unbedingt den Tatsachen und geben daher nicht notwendigerweise die Ansichten von veganismus.de wieder.


veganismus.de