Tiere unter Menschen

von Peter Plattner

Wer hielt nicht den Atem an, wenn überstaatliche Planungsmaßnahmen Hunderttausende von Nutztieren durch Massenschlachtung "aus dem Markt" nahmen? Dem Bauern und Züchter schnürt es das Herz ab, wenn er bei Seuchenverdacht sich von seinen Hofgenossen über Nacht trennen muss, denen er im eigenen Stall einen festen Platz ausgewiesen hat und sie mit Namen kennt.

Was sind das für Menschen, die Millionen von Lebewesen wie Unrat beseitigen? Die Anklage ist ungerecht, es sind zumeist Funktionäre, die solchen Frevel nicht leichtsinnig dekretieren, wohl eher unter ungeheuren Zwängen keinen anderen Ausweg wissen, um dieser doppelten Seuchengeißel samt der Absatzkrise Herr zu werden. Sie haben "regelnd" auszubaden, was Vorgänger in sträflicher Gewinnmaximierung oder im Konkurrenzdruck leichtsinnig ausgelöst haben. Ein Holocaust im Stallbereich, wie es ihn noch nicht gegeben hat! Ist das mit der Tierliebe noch zu vereinbaren, der sich Tierschützer weltweit verschrieben haben? Eine harte Auflage für zukünftige Zuchtregelungen.

Im Gegenpol gibt es andere Sinnverirrungen im Umgang mit den Tierlieblingen: Da spendiert ein untröstliches Wiener Frauchen eine Todesanzeige, weil ihr Meerschweinchen Josef "plötzlich und unerwartet sanft eingeschlafen ist". Und der Schäferhund der Popsängerin Madonna erbt eine Nobelresidenz im Wert von 15,5 Milliarden Lire und wird so samt eigenem Erbverwalter zum reichsten Vierbeiner der Welt. - In Meran kämpfte man vor einiger Zeit um einen Hundespielplatz; Vorbild dazu wäre die Stadt Perugia, wo 17 Grundflächen für Hunde eingerichtet wurden, oder Lucca, wo Hunde den Status von "Halbbürgern" mit entsprechenden Rechten besitzen. - In der Gemeinde Bozen gibt es inzwischen eine Beratungsstelle für Tierangelegenheiten, um das Zusammenleben von Tier und Mensch in der Stadt zu verbessern. Könnte es sein, dass angesichts solcher tiernaher Vorsorgen Kinder vor Neid erblassen, weil sie in ihrem Stadtviertel keinen Kinderspielplatz aufzufinden vermögen; und Obdachlose sich fragen, ob in der Erbvilla des Popstars nicht einige Winkel auch für sie frei werden könnten. Ärmeren Schichten ist nur abzuraten, die Fernsehwerbung länger zu verfolgen. Sie würden inne, was den Pfotenlieblingen alles an Delikatessen erdacht worden ist, die - lecker und schmatzend vorgeführt - den Frauchen und Herrchen keineswegs zu teuer sein dürften.

Ist die Provokation für alle Mindestrentenbezieher perfekt, die allzu gerne mit solchen Köstlichkeiten ihr karges Menü aufbessern möchten? Für mitmenschlich Denkende eine Perversion und ein fortgesetzter Skandal, den sich aus einer Mindestrücksicht heraus auch die Reichsten nicht leisten dürften.

So leben Tiere heutzutage zwischen jeder Missachtung ihrer Lebensentsprechung und einer maßlosen Überzeichnung ihrer gebührenden Stellung in der Schöpfungsordnung.

Dem Menschen ist es gestattet, über das Tier zu bestimmen, es auch für den eigenen Nahrungsbedarf zu züchten. Doch ist ihm zugleich die Verpflichtung auferlegt, jedes animalische Geschöpf als empfindsames Lebewesen zu achten, es keinesfalls zu misshandeln und die Tötung möglichst schmerzfrei vorzunehmen.

Das Verhalten zum Tier - ob in freier Wildbahn oder innerhalb des eigenen Haushalts - ist ein Kulturgradmesser und wirkt sich mitprägend auf seinen Umgang unter Menschen aus.

Gerade deshalb ist es ihm untersagt, das Tier zu vergöttern und es weit mehr zu verwöhnen, als es unter Menschenkindern überhaupt vernünftig wäre. Tierfreundschaft kann manche Einsamkeit entschärfen. Dennoch darf der Kontrast zwischen leeren Kinderzimmern und Promenaden voller Hundekot gebührend nachdenken lassen (Dolomiten, 23. Juni 2001).

Hinweis: Pressemeldungen entsprechen nicht unbedingt den Tatsachen und geben daher nicht notwendigerweise die Ansichten von veganismus.de wieder.


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