Kastration von Jungebern: Meist ohne Betäubung

Wenn Ferkel schmerzhaft zu Eunuchen werden

Jungeber dürfen aus Tierschutzgründen ab September nur noch in den ersten zwei Lebenswochen kastriert werden.
von Daniel Thüler

Jährlich werden in der Schweiz 1,3 Millionen Ferkel ohne Betäubung kastriert. Die Kastration ist eine blutige und schmerzhafte Angelegenheit für Jungeber, die durchgeführt wird, um unangenehmen Geschlechtsgeruch im Fleisch zu vermeiden. "Beim Kochen verleihen die Hormone dem Fleisch einen spezifischen Ebergeruch - es wird ungeniessbar", erklärt Kantonstierarzt Urs-Peter Brunner. In einigen anderen Ländern, wie Grossbritannien, Spanien und Dänemark, kommt die Jungeberkastration nicht so breit zur Anwendung wie in der Schweiz. Die Tiere werden früher geschlachtet - und die Gaumen der Konsumentinnen und Konsumenten sind offenbar nicht überall gleich empfindlich.

Neue Tierschutzverfügung

Nun wurde eine neue Verfügung ins Tierschutzgesetz aufgenommen. "Bisher durfte man den Eingriff nur machen, wenn die Jungeber noch keine zwei Monate alt sind", sagt Urs-Peter Brunner. "Ab 1. September dürfen fachkundige Personen Ferkel nur bis zum Alter von zwei Wochen ohne Betäubung kastrieren." Früher ging man davon aus, dass Jungeber weniger Schmerz empfinden als ältere, bei denen das Nervensystem besser ausgeprägt ist. "Dies ist zum Teil ein Trugschluss - verschiedene Forschungsarbeiten ergaben, dass Jungtiere auch Schmerzen fühlen können", sagt Urs-Peter Brunner. "Das Beste wäre, man würde alle Jungeber anästhesieren, also betäuben." Doch die Tierschutz-Gesetzgebung beinhaltet nicht nur das Ideale für das Tier, sondern ist in mancher Hinsicht auch ein Kompromiss zwischen dem Tierhalter, der Wirtschaftlichkeit und dem Wohl des Tieres. Deshalb wurde die Kastration ohne Betäubung nicht ganz verboten, sondern von zwei Monaten auf zwei Wochen beschränkt. "Das langfristige Ziel wird schon sein, vom Kastrieren ohne Betäubung ganz wegzukommen", sagt Urs-Peter Brunner, "doch bisher gibt es noch keine praxisgerechte Alternative." Dies bestätigt auch Dolf Burki, Tierarzt und Präsident des Schaffhauser Tierschutzes, der den Tieren zuliebe bei Betäubungen für Kastrationen nur seine Selbstkosten verrechnet. "Ich habe mit der Betäubung durch Spritzen gemischte Erfahrungen gemacht. Obwohl die Tiere weniger Schmerzen fühlen, ist auch die Betäubung mit Stress für die Tiere verbunden sowie zeit- und kostenaufwendig. Es sind weitere Versuche nötig, bis eine wirklich praxistaugliche Methode entwickelt ist."

Gasnarkose birgt Risiken

Neben der Betäubung per Spritze wäre auch eine Vollnarkose durch Gasbetäubung denkbar, doch die Forschung ist noch nicht so weit. "Die Gasbetäubung verursacht bisher erhebliche Randprobleme", erklärt Dolf Burki. "Schweine sind sehr schwierig zu narkotisieren. Die dafür denkbaren Narkosegase sind noch nicht von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel zugelassen worden. Diese Gase können, wenn sie freigesetzt werden, auf Dauer die Leber des Anästhesisten schädigen. Wenn das Narkosegerät bei verschiedenen Ferkeln benutzt wird, steigt zudem das Risiko für Krankheitsübertragungen. Es müsste erst ein neues Gerät entwickelt werden. Ich finde es deshalb toll, dass Coop einen Schritt nach vorne wagt und Forschungsgelder für die Entwicklung einer praxistauglichen Gasbetäubung zur Verfügung stellt."

Hauptproblem: Mehrkosten

Dolf Burki führt auf dem von Bernhard Kaufmann geführten Landgut Löwenstein, das zur Eingliederungsstätte Schaffhausen gehört, die Ferkelkastration unter Betäubung durch. "Ich habe mich für die Betäubung entschieden, da ich mir die schmerzhafte Kastration der Ferkel immer eins zu eins am eigenen Körper vorstelle", erklärt Biobauer Bernhard Kaufmann. "Da unser Hof neben dem Schweinefleisch noch andere Einnahmequellen hat, macht es mir auch nichts aus, den Mehraufwand zu tragen. Doch ich sehe die Problematik der grösseren Betriebe, für die Betäubungen erhebliche Mehrkosten verursachen." Bernhard Kaufmann beteiligt sich auch mit einigen Jungebern am Kagfreiland-Projekt "Eber statt Kastraten". "Wenn man die Eber richtig hält und früh genug schlachtet, bleibt das Fleisch geniessbar. Ein Eber wiegt beim Schlachten 100 Kilo, das ergibt ein Schlachtgewicht von 80 Kilo. Davon sind nur rund 60 Prozent nutzbar, da man heute weniger verwertet als früher", erklärt Bernhard Kaufmann. "Wenn man die Eber bereits mit 80 Kilo schlachtet, geht der Ertrag natürlich zurück. Dies erhöht, wie auch die Betäubung, den Fleischpreis."

Konsumenten müssen handeln

Ob sich die Kastration mit Betäubung durchsetzt oder der Eingriff ganz wegfällt, liegt in den Händen der Konsumenten. Die Mehrkosten wirken sich unweigerlich auf die Fleischpreise aus. Sind sich die Verbraucher der Problematik bewusst, sind sie oft bereit, ihren Anteil zur Lösung beizusteuern. "Ein nützlicher Beitrag ist, das Label- und Biofleisch zu fördern sowie beim Einkauf mehr auf die Etiketten zu achten", sagt Dolf Burki. "Zudem sollte man kein Fleisch aus dem Ausland kaufen, da dort die Eber sowieso nicht betäubt werden." Auch Bernhard Kaufmann hofft auf Unterstützung: "Ich fände es gut, die Konsumenten würden etwas weniger Fleisch essen, dafür bewusster." (Schaffhauser Nachrichten, 24. August 2001)
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