Ende der Bio-Verwirrung

Verbraucherministerin Renate Künast präsentiert einheitliches Siegel für ökologisch produzierte Lebensmittel plus passenden Gesetzentwurf. Verbände fordern aber härtere Kriterien

von Heide Platen

Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) hat gestern mittag in Berlin das neue Biosiegel für ökologisch produzierte Lebensmittel vorgestellt. Kurz zuvor hatte das Kabinett einen Gesetzentwurf gebilligt, der einheitliche Standards für "Bio" festschreibt. Das Siegel, so Künast, sei nach der Verunsicherung der Verbraucher durch BSE und Maul- und Klauenseuche ein "wichtiges Signal" und "eines der Puzzleteile der Agrarwende". Und es sei ein weiterer Schritt dahin, den Anteil des ökologischen Landbaus von derzeit 3 Prozent bis zum Jahr 2010 auf 20 Prozent zu erhöhen.

Das Gütezeichen, ein grün umrandetes Sechseck mit der Aufschrift "BIO nach EG-Öko-Verordnung", soll die über 100 verschiedenen jetzigen Label ablösen und den Verbrauchern mehr Sicherheit geben. Es könne ab sofort, also noch vor Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes zum Jahresende, von Erzeugern, Verarbeitern und Handel genutzt werden.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat dem Siegel auch schon gesetzlichen Markenschutz erteilt. Die Ministerin kündigte an, dass sie die Verbraucherberatung "mit erheblichen Mitteln in Millionenhöhe" unterstützen wolle. Für das kommende Jahr seien 15 Millionen Mark eingeplant. Im Oktober startet eine Informationstour durch über ein Dutzend bundesdeutsche Städte.

Künast sagte, sie hoffe, dass Ökoprodukte mit Hilfe des neuen Dachzeichens künftig auch in den Supermärkten "auf einen Blick" erkannt werden könnten. Die Nachfrage boome und sei "derzeit größer als das Angebot".

Die als Orientierungsnorm zugrunde gelegte EU-Verordnung regelt sowohl für Erzeuger wie für Verarbeiter von Lebensmitteln, wie produziert wird und welche Stoffe dabei verwendet werden dürfen. Nur ausdrücklich Erlaubtes darf in die Nahrungskette gelangen. Vorgeschrieben ist unter anderem die Fütterung der Tiere mit ökologisch angebautem Futter. Gentechnisch veränderte Zusätze sind grundsätzlich verboten. Antibiotika dürfen nicht zur Krankheitsbehandlung verwendet und die Tiere müssen flächengebunden gehalten werden.

Fast neun Monate lang hatten die Verhandlungen gedauert. Die Ministerin, Bauernverband, Ökobauern, Lebensmittelhandel, Fleischindustrie, Verbraucherschützer und Gewerkschaften einigten sich in zähem Ringen auf die EU-Norm. Am härtesten war der Widerstand der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau, die strengere Kriterien für einige Bereiche gefordert hatte.

Ökomarken wie Bioland und Demeter hatten sich gegen eine bundesdeutsche Sonderregelung gewandt. Das sorge für "Verwirrung an der Ladentheke". Es sei ein Problem, hatte Bioland-Vorstand Thomas Dosch im Mai geklagt, dass sich die Verbraucher bisher "nicht klar sind, ob da jetzt Bio drin ist oder nicht".

Bauernpräsident Peter Sonnleitner kritisierte gestern, das Siegel habe "zu schwache Standards", weil es auf EU-Niveau "heruntergefahren worden ist". Es ermögliche gleichzeitig ökologischen und konventionellen Anbau, so dass Kontrollen schwer fielen. Der Bauernverband werde es trotzdem unterstützen. Sonnleitner bezweifelte aber, dass der Ökolandbau auf 20 Prozent gesteigert werden kann.

Während der Bundesverband der Verbraucherzentralen und -verbände Künast lobte, ging die Berliner Verbraucherinitiative analog zu Sonnleitner vorsichtig auf Distanz. Das Siegel sei zu schwach, aber für eine "Übergangsphase durchaus hilfreich". (taz, 06. September 2001)

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