In der EU bahnt sich Streit um Subventionen für Lebendvieh an

von Dirk Müller-Thederan

In der Europäischen Union bahnt sich eine kontroverse Debatte über Subventionen für den Export lebender Rinder an. Nachdem sich das Europäische Parlament jetzt in Straßburg mit großer Mehrheit für deren Abschaffung ausgesprochen hat, ist es nun an den EU-Regierungen über die Millionenhilfen zu entscheiden. In deren Reihen ist aber keine Mehrheit für eine Abschaffung der Subventionen in Sicht, die in der Bevölkerung seit Jahren sehr emotional diskutiert werden. Überdies gibt es keinen Vorschlag der Europäischen Kommission.

Nun will Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast in die Offensive gehen. Der Grünen ist die Exporthilfe schon lange ein Dorn im Auge. Beim jüngsten Treffen der EU-Agrarminister in Luxemburg wollte Künast mit einer eigenen Initiative vorpreschen, um mit ihren EU-Kollegen über Sinn und Unsinn der Subventionen von Lebendvieh zu diskutieren. Diese stoßen bei vielen Menschen in der EU auf vehemente Ablehnung. Grund sind nicht zuletzt jene Fernsehberichte, in denen immer wieder die tierquälerische Behandlung der Tiere vor allem beim Ausladen in italienischen Häfen gezeigt wird.

Aus "Zeitgründen", so hieß bei Diplomaten, sei eine intensive Diskussion des Themas im Rat jedoch nicht möglich gewesen. Künast wolle dies aber beim nächsten Treffen am 20. November in Brüssel auf jeden Fall nachholen. Die Erfolgsaussichten erscheinen allerdings gering, weil zum einen EU-Staaten wie Irland, Frankreich, Griechenland oder Italien an dem System ein vitales Interesse haben, da sie selber viel Lebendvieh im- und exportieren. Auch bezweifelt EU-Agrarkommissar Franz Fischler, dass allein die Streichung der Hilfen an dem Problem tierquälerischer Transport viel ändern würde. Vielmehr würden bestimmte Probleme auf dem EU-Markt und in den Empfängerländern noch verschlimmert.

Die EU exportiert ihre Rinder vor allem nach Nordafrika und in den Nahen Osten. Fischler tritt daher für eine schärfere Bestimmungen und Kontrollen der Tiertransporte ein. Bei den Exporten geht es außerdem um viel Geld. Jedes Jahr werden aus der EU etwa 300.000 Rinder lebend exportiert, wovon 220.000 zum Schlachten vorgesehen sind. Auf Deutschland entfallen alleine 116.000 Rinder bzw 76.000 Schlachtrinder. In diesem Jahr sind nach Angaben von Diplomaten für die Exporterstattungen knapp 640 Mio EUR im EU-Haushalt vorgesehen, wobei unter dem Strich eine Tonne exportiertes Rindfleisch mit 715 EUR subventioniert wird.

Nach dem Beschluss des Parlaments sollen im neuen Haushalt 58 Mio EUR gestrichen werden, welche die Kommission für Lebendvieh-Exporte eingestellt hatte. Da aber das EP in Agrarfragen nur beratende Funktion hat, hat die Forderung wohl nur symbolischen Charakter. Brüsseler Experten sind davon überzeugt, dass die Finanzminister den Posten wieder in das Budget aufnehmen.

Der Vorsitzende im EP-Landwirtschaftsausschuss, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, besteht indes darauf, dass diese Beihilfen ersatzlos gestrichen werden. "Der Export von lebenden Rindern ist ein Paradebeispiel, bei denen Tieren schreckliches Leid zugefügt wird", sagte Graefe zu Baringdorf in Straßburg. Die Eurogroup for animal welfare fordert nachdrücklich, die Hilfen ab 2002 einzustellen. Bislang hat sich die EU darauf beschränkt, strenge Auflagen für Ruhepausen und das Tränken der Tiere bei den Transporten in der EU vorzusehen.

Diese zum Teil kostspieligen Maßnahmen werden von der Fleischwirtschaft stark kritisiert, während sie nach Ansicht der Tierschutzverbände nicht ausreichen, die Missstände bei den Transporten über große Entfernungen, besonders über See, abzustellen. Die Staaten müssen sicherstellen, dass nur anerkannte Unternehmen solche Transporte vornehmen können. Langzeittransporte sind auf acht Stunden begrenzt, es sei denn dass ein besonderer Fahrplan vorab vorgelegt wird, der angemessene Tränk- und Fütterungspausen umfasst.

Nach Ansicht Fischlers wäre eine Streichung problematisch. Zum einen drohte dem EU-Markt durch das nicht exportierte Rindfleisch neuer Interventionsdruck. Experten beziffern die Menge Rindfleisch, die der Markt mehr aufnehmen müsste, auf 70.000 t. Zum anderen würden die Empfängerstaaten auf lebende Tiere bestehen, weil sie aus religiösen Gründen anders schlachten. Ferner fehle es ihnen an Kühlkapazitäten.

Außerdem würden für die ausbleibenden EU-Lebendtierexporte andere Staaten wie Australien einspringen, die die Tiere dann um die halbe Welt nach Nordafrika transportierten. "Dem Tierschutzgedanken ist damit sicher nicht geholfen", meinte der Sprecher Fischlers. Fischler setze deshalb auf eine Verschärfung der Bestimmungen, um Missstände beim Transport von Tieren zu stoppen. Kontrollen sollen demnach erhöht, Sanktionen verschärft und Exportlizenzen gestrichen werden.

Entwicklungsorganisationen weisen auch darauf hin, dass den Schlachtbetrieben in den nordafrikanischen Entwicklungsländern im Fall von Fleischexporten Einnahmen verloren gehen, während die Europäer ihrerseits von der Veredelung des Fleischs profitierten. Auch entgingen den Menschen dort weitere Einnahmen, die sie aus der völligen Verwertung der Tiere zögen. Die Bundesregierung ficht diese Kritik nicht an. "Wir müssen uns entscheiden zwischen Tierschutz und wirtschaftlichen Erwägungen", sagte ein hoher Beamter im Ministerium von Künast. Die Initiative der Ministerin sei auch als ein Anstoß für andere Staaten zu sehen, über die Zustände bei den Tiertransporten nachzudenken. Die EU als Vorreiter könnte "Signalwirkung" für andere haben, den Tierschutz über die Ökonomie zu stellen, meinte er. (Vereinigte Wirtschaftsdienste, 25. Oktober 2001)

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