Tiertransporte: Export lebt von Lebend-Rindern

Subventionsstopp für Lebendfleisch-Exporte stößt bei den EU-Partnern auf wenig Gegenliebe

von Victoria Walter

Schon vor der gestrigen Sitzung des EU-Agrarrats war Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast klar, dass sie mit ihrem neuesten Vorstoß zum Tierschutz in Brüssel auf Granit beißen würde. Und so ließ Künast denn auch vorsorglich durchsickern, beim Agrarrat zunächst nur die Diskussion über einen Subventionsstopp beim Export lebender Schlachtrinder anstoßen zu wollen. Künast will nach eigenem Bekunden nicht tatenlos hinnehmen, dass bei den Schlachtviehtransporten permanent gegen die geltenden Tierschutzbestimmungen verstoßen wird. Auf Straßen- und Schiffstransporten würden die zusammengepferchten Tiere elenden Qualen ausgesetzt, die vorgeschriebenen Ruhe- und Tränkezeiten nicht eingehalten. Die EU soll dies nicht auch noch durch die Zahlung von Exportsubventionen honorieren. Statt Lebendvieh müsse mehr Gefrierfleisch exportiert werden, lautet das Rezept der grünen Agrarministerin. Als Hebel soll die Streichung der lukrativen Ausfuhrerstattungen dienen.

Verhalten beifälliges Nicken kam im Agrarrat allerdings nur aus der skandinavischen Ecke. Die südlichen EU-Länder, in denen der Tierschutz traditionell viel geringeren Stellenwert hat, vor allem aber die grossen Exporteure wie Irland, Frankreich oder Belgien, reagierten mit kaum verhüllten Ärger. Selbst Agrarkommissar Franz Fischler, der schon wegen des Ansehens der europäischen Landwirtschaft dem Tierschutz deutlich stärker zugeneigt sein muss, ist deutlich auf Distanz gegangen. Die Exporte lebender Rinder, machte er klar, könnten durch Gefrierfleisch-Ausfuhren nicht kompensiert werden. Die neben Russland wichtigsten Kunden im Nahen Osten - vor allem Ägypten und Libanon - würden dann abspringen und auf die Konkurrenz aus Argentinien oder Australien ausweichen. Muslimische Kunden wollten keine Rinderhälften, sondern nach traditionellem Ritual selber schlachten. Die EU bliebe auf noch mehr unverkäuflichem Rindfleisch sitzen und dieses Überangebot würde die Preise erneut abstürzen lassen. Auch müsste zusätzlich aufgekauft und eingelagert werden, was die EU-Kasse weit stärker belasten würde.

Agrarkommissar Fischler will in Sachen Tierschutz deshalb einen anderen Weg beschreiten. Die Subventionen sollten weiter gewährt, aber die Auszahlung enger an die Einhaltung der Transportvorschriften gekoppelt werden. Der bärtige Österreicher appellierte deshalb an die Mitgliedsstaaten, ihre Kontrollen der Schlachtvieh-Transporte ernster zu nehmen und zu verschärfen. Die EU-Kommission könne dann Verstösse gegen die geltende Richtlinie, die begrenzte Fahrzeiten, sowie regelmäßige Ruhepausen und Tränkungen vorschreibt, in nachgewiesenen Fällen mit dem Entzug der Exporterstattungen bestrafen. Das Problem sei ohnehin nicht auf die Drittlandsausfuhren beschränkt. Innerhalb der EU würden jährlich rund drei Millionen Schlachtrinder transportiert - ein Vielfaches der Exporte. Deshalb würde die Abschaffung der Exporterstattungen für Lebendvieh das Übel nicht beseitigen. Die EU führte im vergangenen Jahr insgesamt 218000 lebende Schlachtrinder in Drittstaaten aus. Dies entspricht über 50000 Tonnen Fleisch oder mehr als zehn Prozent der gesamten Rindfleisch-Exporte. Sollte dieser Markt durch die Streichung der Subventionen verloren gehen, käme auch die deutsche Landwirtschaft in erhebliche zusätzliche Probleme. Aus der Bundesrepublik wurden 76000 Schlachttiere lebend ausgeführt - gut ein Drittel der EU-Exporte. Am schwersten betroffen aber wären die Iren, die zehnmal mehr Rindfleisch erzeugen, als sie selber verzehren. Besonders hart träfe es auch die französischen Bauern, die an einem Spezialproblem knabbern: Frankreich wird derzeit von billigem deutschen und niederländischen Kuhfleisch überschwemmt, was auch dort die Preise zum Einsturz bringt. Hauptursache ist die hier zu Lande geringe Akzeptanz des umstrittenen EU-Programms zur Verbrennung unverkäuflicher Altrinder, die nach dem herbstlichen Weideabtrieb nun geschlachtet und auch in den Nachbarländern vermarktet werden. Künast wird auch deshalb heftig angegriffen. Während die anderen EU-Partner mit erheblichen eigenen Kosten überschüssiges Rindfleisch vom Markt genommen hätten, so der Vorwurf, habe sie das Programm ausgebremst, unter dem Deckmantel moralischer Vorbehalte das eigene Budget geschont und eigene Probleme nun auf die Nachbarn abgewälz. In der aufgeheizten Stimmung hatte Künasts Vorstoß zum Tierschutz keine Chance, sondern brachte die Gemüter nur zusätzlich in Wallung. (Neues Deutschland, 21. November 2001)

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