«Die ganze Abschlachterei ist absoluter Wahnsinn»

Briten reagieren entsetzt auf Scheiterhaufen im MKS-Kampf - Tierschützer prangern Missstände in der Tierhaltung an

von AP-Korrespondentin Beth Gardiner

Woche für Woche dieselben schrecklichen Fernsehbilder: Meterhohe Berge von toten Schafen, Kühen, Schweinen. Viele der für ihre Tierliebe bekannten Briten sind zutiefst schockiert. Auf brutale Weise werden sie mit der Herkunft ihrer Rinderbraten und Lammkoteletts konfrontiert. Doch gerade davon erhoffen sich Tierschützer ein neues Bewusstsein für die Tierhaltung im Land - der einzige positive Aspekt, den sie der seit sieben Monaten grassierenden Maul- und Klauenseuche abgewinnen können.

«Die Reaktionen der Öffentlichkeit übertreffen alles bisher Dagewesene», sagt Juliet Gellatley, Chefin von Viva, einer Organisation, die sich für vegetarische Ernährung stark macht. «Die Leute haben einfach die Nase voll davon, wie man die Tiere behandelt.» Viva gehört zu den Tierschutzorganisationen, die Schlachtungen wegen MKS rundweg ablehnen. Ginge es nach den Viva-Verantwortlichen, würde man die Krankheit behandeln und sie mit Impfungen einzudämmen versuchen. Denn MKS habe nur eine minimale Auswirkung auf Tiere und schade hauptsächlich der Wirtschaft, sagen sie.

Die Maul- und Klauenseuche ist für den Menschen ungefährlich. Auch für Tiere ist die Krankheit selten tödlich. Die infizierten Tiere können nach wenigen Wochen wieder gesund sein. Viele Länder verbieten jedoch Importe aus MKS-Staaten, da sie ihre heimische Produktion in Gefahr sehen. Auch in Großbritannien hat MKS den Fleischexport lahm gelegt. MKS-Impfungen würden nach Ansicht der Behörden den Zeitraum noch verlängern, in dem das Land als nicht MKS-frei gilt.

«Die ganze Abschlachterei ist absoluter Irrsinn. Sie zeigt die brutale Gleichgültigkeit der Regierung und der meisten Bauern gegenüber dem Schicksal der Tiere», erklärt Gellatley. Die Massenschlachtungen hätten den Briten einen Eindruck von der Brutalität gegeben, die bei der so genannten industriellen Landwirtschaft mit überfüllten Ställen und quälenden Langstrecken-Transporten gang und gäbe sei.

Andrew Tyler, Chef der Organisation Animal Aid ist überzeugt von der Macht des Bildes. «Die Aufnahmen im Fernsehen haben der Öffentlichkeit gezeigt, dass sterbende Tiere Teil der industriellen Landwirtschaft sind. Und die Briten mögen das, was sie da zu sehen bekommen, überhaupt nicht», sagt Tyler. «Die Metzelei und das Leid, das ihnen das Fernsehen zurzeit permanent vorführt, sind nur eine kleiner, sichtbarer Teil von dem, was permanent hinter verschlossenen Türen passiert.» Beide, Tyler und Gellatley, können sich vor Anfragen zu vegetarischer Lebensweise kaum retten, berichten sie.

Viele britische Tierschutzorganisationen räumen zwar die Notwendigkeit einer Ausrottung der Maul- und Klauenseuche ein, halten jedoch die Schlachtung von Tieren, die keine Krankheitssymptome aufweisen, für unmenschlich und wenig effektiv. Eine begrenzte Schlachtpolitik in Verbindung mit flächendeckenden Impfungen sei wesentlich sinnvoller. Zurzeit werden auf britischen Bauernhöfen, auf denen ein MKS-Fall aufgetaucht ist, sowie auf den umliegenden Bauernhöfen alle Tiere geschlachtet. In den am stärksten betroffenen Gebieten des Landes trifft die Keulung Klauentiere in einem Umkreis von drei Kilometern.

«Endlich auf das Leid der Tiere aufmerksam machen»

Fast eine Million von insgesamt 1,4 Million zur Schlachtung vorgesehenen Tieren in Großbritannien sind bisher getötet worden. «Wir müssen wohl oder übel akzeptieren, dass infizierte Tiere geschlachtet werden müssen», sagt Julie Briggs von der Tierschutzgruppe Compassion in World Farming. Doch die Regierung gehe ein sehr hohes Risiko ein, wenn sie weiterhin MKS-Impfungen verbiete. Auch diejenigen Tierschutzorganisationen, die die Keulung infizierter Tiere befürworten, prangern Missstände bei den Massenschlachtungen an. Emma Nutbrown, eine Sprecherin der Tierschutzorganisation RSPCA, sagt, ihre Organisation untersuche zurzeit Hinweise auf grausame Schlachtpraktiken. Presseberichten zufolge seien manche Tiere erst nach Stunden gestorben oder bei lebendigen Leibe begraben worden.

Zudem seien Tiere in Folge der MKS-Maßnahmen stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. In manchen Fällen seien trächtige Schafe auf weit vom nächsten Bauernhof entfernte Felder verfrachtet worden. Ihre Neugeborenen seien dann ohne Schutz der Witterung ausgesetzt, sagt Nutbrown. In anderen Fällen seien Schweine so zusammengepfercht worden, dass sie angefangen hätten, gegeneinander zu kämpfen. In manchen Bauernhöfen sei zudem das Futter knapp, da die Tiere nicht zum Grasen hinausgelassen würden.

«Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Zuchttiere in diesem Land nicht leiden. Doch im Moment tun sie das», sagt Julie Briggs. «Es ist traurig, dass es erst einer nationalen Krise wie dieser bedarf, um die Menschen endlich auf das Leid der Tiere aufmerksam zu machen.» (AP, 15. April 2001)

Hinweis: Pressemeldungen entsprechen nicht unbedingt den Tatsachen und geben daher nicht notwendigerweise die Ansichten von veganismus.de wieder.


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