Britische Tierschützer machen Front gegen Versuchslabor

Größtes europäisches Testunternehmen finanziell unter Druck - Aktienhändler ziehen sich zurück - Jährlich 75.000 Tierversuche

Von AP-Korrespondent Chris Fontaine

«Wir machen Druck!» ruft die junge Frau in ein Megafon, während ein weiterer Demonstrant Handzettel mit Fotos von traurig blickenden Beagles in Käfigen und der Aufschrift «Welpen-Mörder» austeilt. Der Protest vor dem Aktienhandelsunternehmen Charles Schwab in London gilt dem größten europäischen Tierversuchsunternehmen Huntingdon Life Sciences. Ziel der Aktionsgruppe Stop Huntingdon Animal Cruelty (SHAC) sind Kunden, Investoren, Gläubiger und Mitarbeiter der Forschungseinrichtung, in der SHAC zufolge täglich 500 Tiere getötet werden.

Die Tierschützer können Erfolge ihrer seit Monaten andauernden Kampagne vorweisen: Am Mittwoch meldeten sie den Rückzug der Aktienhandelsfirma TD Waterhouse aus dem Geschäft mit Huntingdon-Werten, in der vergangenen Woche kündigte Schwab an, sich aus dem Handel mit Huntingdon-Aktien zurückzuziehen. Zwei weitere große Händler, Winterflood Securities und Dresdner Kleinwort Wasserstein, hatten diesen Schritt bereits zuvor vollzogen. «Es ist jetzt unmöglich, die Aktien auf normalem Weg zu handeln», sagt Bob Duste, der Vorstandsvorsitzende von Charles Schwab Europe. Eine wachsende Zahl von Mitarbeitern sei von Demonstranten persönlich bedroht, belästigt und eingeschüchtert worden.

Huntingdon Life Sciences führt nach eigenen Angaben jährlich 75.000 Tierversuche durch, 86 Prozent davon an Nagetieren. Auch 750 Hunde und 190 Primaten werden pro Jahr für Tests von Arzneimitteln sowie Chemikalien für Landwirtschaft und Industrie eingesetzt und anschließend getötet. Es werde nur das nötige Minimum an Versuchen durchgeführt, erklärt das Unternehmen. Die Arbeit sei unter anderem entscheidend für die Entwicklung lebensrettender Medikamente, heißt es.

Im März gab das Unternehmen mit Sitz 100 Kilometer nördlich von London einen operativen Verlust für das Jahr 2000 von 7,5 Millionen Dollar (16,7 Millionen Mark/8,5 Millionen Euro) gegenüber 6,1 Millionen im Vorjahr bekannt. Der Vorstandsvorsitzende der hoch verschuldeten Firma, Andrew Baker, machte dafür zumindest teilweise die Kampagne der Tierschützer verantwortlich, die die Schlagzeilen beherrscht habe. Die Kampagne habe Verunsicherung bezüglich der Refinanzierung der Bankschulden des Unternehmens geschürt und negative Auswirkungen auf Aufträge und Versuche gehabt.

Die Tierschützer wenden sich bereits neuen Zielen zu. In der vergangenen Woche besetzten Aktivisten für elf Stunden eine Filiale der Bank of New York in London. Die Bank ist laut SHAC ein Großinvestor des Forschungslabors. In der britischen Pharmaindustrie wächst unterdessen die Verunsicherung. «Es wäre ein Desaster für das Land, wenn sich die Unternehmen dazu entschlössen, wichtige Forschung für neue Arzneimittel wegen inakzeptabler Aktionen einiger Extremisten im Ausland durchzuführen», sagt Trevor Jones, Generaldirektor des Verbandes der britischen Pharmaindustrie.

Dabei geht es um viel Geld: In der Branche sind 60.000 Menschen beschäftigt, 2000 wurden für 7,1 Milliarden Pfund (22,5 Milliarden Mark/11,5 Milliarden Euro) in Großbritannien hergestellte Arzneimittel exportiert. Für Forschung im eigenen Land gab die Industrie 2,9 Milliarden Pfund aus. Die Regierung von Premierminister Tony Blair sah sich inzwischen genötigt, schärfere Gesetze vorzubereiten, um potenzielle Opfer besser zu schützen. «Wir sind einfach nicht bereit zuzulassen, dass eine kleine Minderheit krimineller Extremisten Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft und deren Familien einschüchtert und versucht, wichtige medizinische Forschung zu behindern», sagte Innenminister Jack Straw.

Gewaltsame Proteste gegen internationale Pharma-Unternehmen

Einige der Tierschützer geben sich in der Tat mit friedlichen Mitteln nicht zufrieden. Im Februar wurden bei gewaltsamen Protesten gegen internationale Pharma-Unternehmen an mehreren Orten des Landes Fensterscheiben eingeworfen und Büroräume verwüstet. Betroffen war unter anderem die Niederlassung des deutschen Bayer-Konzerns in der Londoner Vorstadt Stoke Poges. Eine SHAC-Sprecherin erklärte damals, die Aktionen seien ohne Gewalt geplant gewesen. «Es ist nur so, dass einzelne Leute sehr, sehr wütend werden. Wir werden Grausamkeit gegen Tiere nicht länger hinnehmen.» Wenig später überfielen drei Vermummte den Verwaltungsdirektor von Huntingdon, Brian Cass, und verletzten ihn mit Baseballschlägern.

Die meisten der Tierschützer protestieren im Rahmen der Gesetze, lediglich militante Gruppen wie die Tierbefreiungsfront (ALF) verüben Anschläge mit Sprengsätzen oder legen Feuer in Tierversuchslaboren oder Pelztierfarmen. Der 56-jährige ALF-Sprecher Robin Webb erklärt, die Organisation habe in den fast 30 Jahren ihres Bestehens niemanden verletzt oder getötet. Zwei Splittergruppen - die Tierrechtsmiliz und die Justizbehörde - hätten sich zu einigen Angriffen bekannt, die gegen die Regeln der ALF verstoßen, darunter den Überfall auf Cass. (AP, 19. April 2001)

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