Pfand für anständiges Sterben

Was bei Dosen funktioniert, muss bei Hühnern nicht schlechter sein: In Schweden denkt man darüber nach, dem mysteriösen Legehennenschwund vor der kürzlich gesetzlich verteuerten Schlachtung durch ein Pfandsystem beizukommen
von Reinhard Wolff

Die SchwedInnen sind Weltmeister beim Pfanden. Nach Dosen, Bierkästen und Flaschen haben sie jetzt sogar Hühner ins Visier genommen. Damit wollen sie einem Problem zu Leibe rücken, das in den letzten Wochen für unappetitliche Schlagzeilen gesorgt hat: unprofitable Hühner, die lebendigen Leibes in Häckslern zerstückelt werden, weil ihre fachgemäße Tötung zu teuer ist.

Mit dem Schlachten von Geflügel ist eine ganze Branche beschäftigt, denn Legehennen haben ein kurzes Leben. Zwar fällt bei ihnen nicht schon wie bei Hähnchen nach 34 Tagen die Klappe. Aber nach 80 Wochen bringen auch sie nicht mehr die optimale Eierleistung für ihre Batterien und werden deshalb durch Jungvieh ersetzt.

Auch wenn Tierethik bei der Hühner-Massenhaltung nicht die erste Rolle spielt, wie die auch in Schweden üblichen Minikäfige beweisen, so rückt sie doch bei der Tötung plötzlich in den Vordergrund: Seit dem 15. Juli ist die seit Generationen tradierte "Bullerby"-Schlachtung - man nimmt das Huhn an den Beinen, knackt mit der anderen Hand das Genick und greift dann zum Hackbeil - gesetzlich verboten. Erlaubt ist nur noch Betäubung mit anschließender Ausblutung. Der Bauer darf das, wenn er denn die neue Methode beherrscht, noch selbst erledigen. Gewerbliche Federviehhalter haben aber die gesetzliche Verpflichtung, die ausrangierten Eierlegerinnen in eine der beiden Hühnerschlachtereien des Landes abzuliefern. Das kostet neben dem Transport umgerechnet rund 50 Pfennig pro Huhn. Eine Ausgabe, die einige der Eierfabriken offenbar sparen wollen. Rund 400.000 Hühner "verschwanden" nämlich zuletzt jährlich laut der genauen Statistik, die die Landwirtschaftsbehörde vom Küken bis zur Leiche des ordnungsgemäß abgeschlachteten Huhns führt.

Ein Teil des Schwunds ist vermutlich auf vorzeitig verendetes Federvieh zurückzuführen, das in den Eierfabriken als Abfall endet und deshalb nicht in der Schlachtstatistik auftaucht. Doch der große Rest könnte ein Schicksal genommen haben, über das die Behörde jetzt durch einen anonymen und - da detailgenau - als glaubwürdig eingestuften Bericht Kenntnis bekommen hat: In mindestens drei illegalen Hühnerschlachtereien, die osteuropäische Schwarzarbeiter beschäftigten, würden Hennen einfach ohne vorherige Betäubung zerhäckselt.

Da hatte Tierschutzinspektor Göran Gustavsson aus Örebro seine Pfandidee. Nachdem man bei Dosen die Sicherheitsabgabe eingeführt habe, würde der weit überwiegende Teil eingesammelt und wiederverwertet. "Das könnte auch mit den Hühnern gemacht werden", so Gustavsson. Bislang kauften die Züchter ihre Küken für 50 Kronen (umgerechnet etwa 12 Mark) und mussten anderthalb Jahre später noch einmal 3 Kronen zahlen, um sie wieder loszuwerden. "Das ist ja eine schlimmere Wertminderung als bei Autos."

Schon beim Einkauf, so der Vorschlag, soll nun eine zusätzliche Abgabe etwa in Höhe von umgerechnet einer Mark erhoben werden. Beim ordnungsgemäßen Abliefern zum Schlachten gäbe es das Geld zurück.

Im Landwirtschaftsministerium wird derzeit geprüft, ob man sich den Vorschlag des Inspektors zu Eigen machen und ihn dem Kabinett unterbreiten will. Die ersten Reaktionen klingen positiv, die Überlegungen sind aber noch nicht abgeschlossen.

Die Tierhäckselmaschinen würden aber auch nach Einführung eines Pfandsystems weiterlaufen. In ihnen dürfen neben verendetem Federvieh auch frisch geschlüpfte Küken entsorgt werden, die man nicht als Legehennen verwenden kann. Bei lebendigem Leib und diesmal mit Erlaubnis des Gesetzgebers. Obwohl auch Küken Lebewesen sind, ist tierethischer Umgang mit ihnen aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht gefordert. (taz, 30. August 2001)

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